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GCM 2-2012

  GCM 2 / 2012 GERMAN COUNCIL . handel und gastronomie Die einzig erfolgversprechende Chance der städtischen Zentren wird in der Arbeitsteilung mit dem Online-Handel liegen. Der überzeu- gendste Grund, in der Stadt einzukaufen und damit persönlich zur Ware (bzw. zum Handel) zu kommen, ist in Zukunft nur noch die Stadt selbst. Jeder Strukturwandel setzt auch neue Potentiale frei: Der Online-Handel befreit die Städte von der Last, ihre Mitte(n) nahezu voll und ganz in ein reines Mega-Shopping-Center verwandeln zu müssen. Nicht die Masse an Verkaufsfläche und Ladeneinheiten, sondern die urbane Klasse des Einzelhandels und der Dienstleistungen wird gegenüber der digita- len Konkurrenz bestehen. Der Stadtwert wird den Wert des Stadthandels bestimmen: Jede Investition in Stadtqualität ist eine Investition in Kunden, die für sich den Mehrwert aus der Kombination von Konsumkultur und Stadtkul- tur suchen. Third Space: Alles unter einem Dach Wie kann der Handel in Zukunft vom Stadtwert profitieren? Wie kann er den Stadtwert im ei- genen Interesse sichern, pflegen, stärken? Hierzu zwei mögliche Antworten. Die erste be- trifft die Kultur des Handels in ihrem Wesen und führt zurück zu den Anfängen des Mark- tes: Mobiler Internetzugang ordnet die Macht- verhältnisse zwischen Verkäufer und Käufer neu. Das Wissen über Produkte und Preise ist potentiell gleich, mit Vorteilen für Kunden, die sich en détail informieren. Wissen entzaubert Götter. Auch die Markengottheiten des Einzel- handels werden ihrem Schicksal nicht entge- hen. Die Emanzipation des Konsumenten, sei- ne »Befreiung aus selbst verschuldeter Un- mündigkeit«, ist in vollem Gange. Im Zeitalter der Konsum-Aufklärung wird der Kunde zum kritischen Partner des Handels. Damit wird der Handel wieder urban im Geiste einer Markt- und Messekultur, bei der der Käufer auf einer (fast) neutralen Handelsplattform dem Verkäu- fer selbstbewusst gegenübertritt. Die zweite Antwort knüpft an der Feststellung an, dass die Aufklärung 2.0 neuartige »Urban Shopping Spaces« zur Folge haben wird: Das Internet hebt das Kontinuum von Raum und Zeit auf. Die Stadt fügt es wieder zusammen! Absehbar ist, dass dies in einer Atmosphäre geschieht, die Elemente und Charaktereigen- schaften großer Hallentypologien aufgreift, wie wir sie aus der Stadtbaugeschichte ken- nen. Beispiele hierfür sind Kirche, Bahnhof, Museum, Kunstgalerie, Theater- und Hotelfo- yer, aber auch die Passage, der Lichthof des Warenhauses und die Mall des Shopping Cen- ters. Dieser gebaute, offene Innenraum wird die Generation Facebook zur Face-to-Face- Kommunikation einladen. Ich nenne ihn »Third Space«. Er wird neben dem 1. Raum, der als der gebaute, geschlossene Innenraum Zugang an Legitimation knüpft und in der Regel priva- ten Charakter hat, sowie dem 2. Raum, als dem offenen Außenraum der Straßen, Plätze und Parks, einer der wenigen – wenn nicht der ein- zige – Raum in der Stadt sein, der »alle(n) un- ter einem Dach« offen steht. »Die Präsentation von Waren, das klassische Stangensystem, wird nur noch in den seltensten Fällen be- müht. […] Es geht nicht mehr um den Preis oder die qualitativen Vorzüge, es geht um Hal- tung. […] Der Showroom der Gegenwart ist ein von allen merkantilen Zwängen befreiter Raum, in dem der Mensch das erlebt, was er einst auf der Agora in Athen erleben konnte: die Gemeinschaft Gleichgesinnter.«7 Ein Beitrag von Wolfgang Christ, Professor für Entwer- fen und Städtebau an der Bauhaus-Univer- sität Weimar. Grün- der und Vorsitzender des Beirats der Urban INDEX Institut GmbH Quellenangaben: 1) Die Erklärung von Leipzig, Internationaler Kongress Stadt & Center – Ziele und Wege für die Europäische Stadt des 21. Jahrhun- derts, Leipzig, Oktober 1999; siehe auch: http://www.uni-weimar.de/architektur/ stadt1/2012/01/leipziger-erklaerung 2) Lutz Freitag, ehemaliger Präsident des GdW e.V.: Zehn Thesen zur kommunalen Privati- sierung, 12. Handelsblatt Jahrestagung zur Immobilienwirtschaft, Berlin, April 2005 3) Statista GmbH. Stadtwert deutscher Groß- städte 2010, http://de.statista.com/statistik/ daten/studie/209432 (Stand 09.02.2012); gif e.V. Arbeitskreis Stadtwert, https://www.gif- ev.de/arbeitskreise/stadtwert (Stand 26.01.2012) 4) Christ, Wolfgang: Stadtwert – Handel baut Stadt, in: W. Christ (Hrsg.): Shopping Center Heidelberg, Urbane Konzepte für Stadt und Handel, Weimar, 2005 5) Christ, Wolfgang: Stadttyp Europäische Stadt, in: K.-W. Schulte (Hrsg.): Immobilien- ökonomie Band III, Stadtplanerische Grund- lagen, München, 2005 u. 2010 6) Christ, Wolfgang: Plädoyer für eine Baukul- tur für den Konsum, in: Bundesarchitekten- kammer (Hrsg.): Deutsches Architektenblatt, Ausgabe 12/2008, Düsseldorf; siehe auch http://www.dabonline.de/2008-12/baukul- tur-fur-den-konsum. 7) Barth, Nadine: Von der Piazza zur Party, in: Echo Medienhaus (Hrsg.): Berlin live Maga- zine – The Showroomdays Issue #1, Ausgabe 1/2012, Wien/Berlin

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