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GCM 2-2012

  GCM 2 / 2012 GERMAN COUNCIL . handel und gastronomie Stadtwert – zur Zukunft des Handels in der Stadt Stadt ist ein Geschenk Der Wert der Stadt steigt offensichtlich unauf- haltsam. Städte sind weltweit konkurrenzlose Magneten für alle, die im weitesten Sinne ein besseres Leben vor Augen haben. Für die Masse der Menschen in den sogenannten Schwellenlän- dern wie Brasilien, Südafrika und China sind die schnell wachsenden Städte die einzig realistische Hoffnung auf ein existenzielles Minimum an Einkommen, Sicherheit, Ausbildung und Behau- sung. In der deutschen Wohlstandsgesellschaft ist Stadt – auch wenn ihr Umfang schrumpft – der attraktivste Zugang zu einem Maximum an Le- bensqualität. Stadt ist ein Geschenk. Man muss Stadt nicht besitzen und sie gehört einem doch. Nicht sel- ten sind es die für Einzelne wertlosen Objekte, die gleichwohl den subjektiven Stadtwert be- gründen: Kirchen, in die man nicht geht; Thea- ter, die man nur von außen kennt; Türme, auf die man noch nie gestiegen ist. Aus der Erfah- rung der Stadt als etwas Äußerem, dessen At- mosphäre man sich aussetzt und sinnlich spürt, dass es einem gefällt, resultiert das Image der 1A-Adresse, der guten Lage oder das Gefühl der Zugehörigkeit zum eigenen Viertel. Stadt ist wieder machbar in einer Weise, die noch bis weit über die Mitte des 20. Jahrhun- derts hinaus für die progressiven Planer allen Anlass bot, sie abzuschaffen: in hoher baulich- räumlicher Dichte, funktional komplex gefügt, Wohnen und Arbeiten unter einem Dach und Straßen, in denen Auto, Bus, Straßenbahn, Radfahrer und Fußgänger zusammen unter- wegs sind. In dieser Stadt der kurzen Wege nimmt der Handel nicht nur wieder die zentra- le Funktion in der Mitte ein, sondern ist erneut der materielle Träger eines Lebensstils, dem man in der Moderne lange misstraute: Urbani- tät. Der Wert der europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts basiert also auf Qualitäten, die in der traditionellen Baukultur weitsichtig ange- legt worden sind.1 Mit dem Wortpaar Stadtwert finden zwei Be- griffe zueinander, die schon einzeln ein weites Bedeutungsspektrum widerspiegeln. Der Be- griff Stadt lässt sich etymologisch in einen me- diterranen und einen mitteleuropäischen Kern spalten. In der Kultur nördlich der Alpen wird Stadt bis ins 16. Jahrhundert mit Burg gleich- gesetzt. Der Bürger ist also ursprünglich ein Burgverteidiger. Ganz anders südlich der Al- pen: Seit der Gründung Roms vor ca. 2500 Jah- ren wird Stadt mit »urbs« verbunden. Woraus sich »urban« ableitet und das heißt so viel wie »vornehmes geistreiches Benehmen«. In der urbanen Kultur Italiens ist der Stadtwert an Menschen gebunden und nicht an Mauern, auch wenn diese noch so prächtig erscheinen. Stadtwert resultiert aus Stadtleben. Auch der Wertbegriff schillert in vielen Farben und Fa- cetten. Zum Vorschein kommen materielle und immaterielle Substanzen, zum Beispiel Wert- sache und Werturteil; bewerten und für wert halten; Wert vergüten und wertschätzen. Oder schlicht: lieb und teuer. Den Stadtwert zu ermitteln ist demnach die Kunst, Kapital und Kultur als zwei Seiten einer Medaille zu begreifen. Der Wert der Stadt basiert auf Werten Den Wert der Stadt quantitativ zu erfassen, macht vor allem für die Kapitalseite Sinn. Zu viel hängt vom Risiko ab, den konkreten Stadt- wert bei einer Projektentwicklung nicht zu kennen, falsch einzuschätzen oder in der stra- tegischen Planung ungenügend zu berücksich- tigen. Das hat die deutsche Wohnungswirt- schaft im Verlauf der Privatisierung kommuna- ler Wohnungsbestände erfahren müssen und 2005 als Reaktion den Begriff der »Stadtrendi- te« eingeführt2 . Die Gesellschaft für Immobili- enforschung sucht seit 2009 nach einem Inst- rument, Stadtwert präzise messbar zu ma- chen. Bislang werden lediglich alle Boden- und Immobilienwerte einer Stadt addiert und auf diese Weise wird dann zum Beispiel Düssel- dorf für 2010 ein Stadtwert von ca. 66 Mrd. Euro attestiert.3 Doch dieses Modell sagt so wenig über den Wert einer Stadt aus wie der Preis des Bodens und der Festmeter Holz über den Wert des Waldes. Dessen Funktionen als Wasserspeicher und Luftreiniger, als Biotop für Pflanzen und Tiere, als Natur- und Kulturraum machen deutlich, dass man sich davor hüten muss, die Stadt in ihrer ganzen Fülle vor lauter Immobilien nicht zu sehen. Nur wo diese fehlt, geht die einfache Rechnung auf: Eine Gated Community kann noch so groß, schön und ab- wechslungsreich für Bewohner und ertrag- reich für Eigentümer sein, ihr Stadtwert ist gleich null! Zur infrastrukturellen und baulich-räumlichen Ausstattung eines Standortes müssen die ent- scheidenden Attribute zur Ermittlung eines Stadtwertes erst noch hinzukommen und das sind soziale und kulturelle Werte. Zum weiter- hin selbstverständlichen Gebrauchswert einer Immobilie treten dann Eigenschaften, die sich in Konzepten wie »Placemaking«, »Communi- ty Building« oder »3rd Place« ausdrücken.4 De- ren strukturelles Ziel ist es, mit einem »im wörtlichen Sinne wertvollen Ort […] auf wert- haltige, ökonomische Werte generierte Nut- zungen anziehend zu wirken. Kulturell aufge- ladene, intelligente Produkte, die ›Werte‹ re- präsentieren und eine ›Markenpersönlichkeit‹ darstellen, werden an kulturell aufgeladenen Standorten entstehen.«5 Stadtwert wird zum entscheidenden Faktor im Konkurrenzkampf um Einwohner und Arbeits- plätze, Investoren und Steuerzahler, Talente und Touristen, Marken und Konsumenten. Ohne Handel ist Stadt nichts wert Die integrative Klammer zwischen materiellem und immateriellem Stadtwert, zwischen Kapi- tal und Kultur, ist seit jeher der Handel. Nur aus diesem Grund existieren unsere Städte

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