Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

GCM 2-2012

GCM 2 / 2012   german council . verführung Verführung ist ein Spiel mit offenem Ausgang, bei der Manipulation steht der Verlierer schon fest. Wer falsch spielt, um zu gewinnen, zeigt, dass er das Spiel ernst nimmt, meinen die Zyniker. Ich würde es anders herum formulieren: Wer keinen Spaß am Spiel hat, spielt mit gezinkten Karten. Wer falsch spielt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sein Gegenüber nicht respektiert. Statt der hohen Kunst der Verführung, die plumpe Kunst des Überrumpelns. Doch naht ein Ende? Immer häufiger wird der Werbung verboten, den Konsumenten mit falschen Aussagen irre- zuführen. 1.600 Werbeaussagen der Lebensmittelbranche hat die EU- Organisation EFSA verboten, nur 220 hielten der Prüfung stand. Das Marketing sucht neue Aussagen und Werte, denn die Verbraucher for- dern Klarheit und Wahrheit. Gerne lassen wir uns verführen, wir sollen aber nicht manipuliert wer- den. Es ist ein Irrtum, wenn wir glauben, Marketing, Werbung oder ein guter Verkäufer könnten Bedürfnisse schaffen. Sie können bestenfalls bereits vorhandene Bedürfnisse verstärken. Und wir als Konsumenten wollen uns auch nicht länger anderes einreden lassen. Wir handeln als Menschen auf Basis von Werten wie Anstand, Ehrlichkeit, Integrität, Weitblick und Verantwortung. Nur in der Wirtschaft tun wir so, als spiele das alles keine Rolle. Wir brauchen ihn wieder, den ehrbaren Kaufmann, der sein Handeln am langfristigen Erfolg ausrichtet, ohne den Interessen der Gesell- schaft entgegenzustehen. Der kein schnelles Geschäft sucht, sondern eine lange Kundenbeziehung aufbauen will. Wir haben alle gesehen und sehen es noch, wohin uns eine Welt voller gieriger Geschäftema- cher geführt hat. Verführung endet dort, wo der Respekt schwindet. Verführung heißt, sich freiwillig geschlagen zu geben, sich der Versuchung hinzugeben ... halb zog sie ihn, halb sank er hin. Ein Beitrag von Marcus Bartelt, Marketing-Consultant, -Dozent und -Blogger Geschrei, grelles Licht und schreiende Farben sind es wohl nicht – ich frage mich daher, warum dann immer wieder genau das eingesetzt wird, um Kunden angeblich um den Finger zu wickeln? Statt mit Charme und Geist sinnlich zu verführen, scheint es doch viel einfacher zu sein, mit Tricks zu manipulieren, das Gegenüber dazu zu überreden, das zu tun, was man selbst eigentlich möchte. Doch diese grobe Form der Beeinflussung, die dem Täter ein Gefühl der Beherr- schung zu geben vermag, ist plump und nur von kurzem Erfolg ge- zeichnet, denn die Manipulierten fühlen sich hinterher immer übervor- teilt, hintergangen, gelenkt. Wer zu den feinen Tricks nicht in der Lage ist, nimmt die vermeintlich viel versprechenden – so lehrt es heute eine Vielzahl von mittelmäßi- gen Verkaufstrainern, stolz auf ihr angebliches Gewinnerwissen. Ob Überlegenheit aus der Schatztruhe der neurolinguistischen Program- mierung oder Bauernfängereien aus der Psychokiste – auch die Hüt- chenspieler finden jeden Tag neue Opfer. Alle Manipulatoren machen es sich dabei zunutze, dass unsere Ab- wehrkräfte leider im besten Falle nur als niedrig zu bezeichnen sind. Wir haben nicht die nötige Zeit und Ruhe, jeden Menschen gründlich kennenzulernen und uns ein faires Urteil über ihn zu bilden. Ganz im Gegenteil, wir müssen in Sekundenbruchteilen einschätzen können, ob unser Gegenüber vertrauenswürdig ist oder nicht. Äußerlichkeiten sind da für uns in der Kürze der Zeit ausschlaggebend. Wir vertrauen leichter auf Signale wie Autorität, transportiert durch Ti- tel, Kleidung, Uniformen und Statussymbole. Ein guter Anzug, ein Doktortitel, ein teures Auto – das sind die Zutaten, mit denen wir leicht getäuscht werden können, wie es jeder Hochstapler und Heirats- schwindler zu bestätigen weiß. In Alexander Apolphs großartiger Do- kumentation »Die Hochstapler« erzählen vier Betrüger, wie leicht es ihnen gefallen ist, ihre Mitmenschen zu hintergehen, und dass Lügen entweder ungemein glaubwürdig oder ungemein unglaubwürdig sein müssen, damit ihnen Glauben geschenkt wird. Wer uns manipuliert, macht es sich zunutze, dass wir schlecht im Rech- nen sind, insbesondere im Prozentrechnen. Er weiß vom Gesetz der so- zialen Bewährtheit, das besagt, dass wir das, was andere auch tun, nur selten hinterfragen. Schon der Zirkuspionier P. T. Barnum wusste: »Nichts zieht eine Menge so sehr an wie eine Menge.« Wir orientieren uns gerne an dem, was andere tun, besonders, wenn wir unsicher sind. Ob es die eingespielten Lacher in den Sitcoms sind oder der Um- stand, dass wir uns nie in ein leeres Restaurant setzen würden, son- dern lieber weiterlaufen, bis ein volleres kommt – all diese Verhaltens- weisen beruhen auf diesem Gesetz. Doch auch Sympathie macht uns angreifbar; Menschen, die wir mö- gen, vertrauen wir eher. Und wer gemocht wird, dem verzeiht man Fehler. Diese Sympathie-Falle spiegelt sich im Gesetz der Reziprozität (Gegenseitigkeit) wider: In jeder Kultur finden wir Beispiele dafür, dass Menschen, die etwas geschenkt bekommen (und das kann auch Zeit oder Aufmerksamkeit sein), versuchen, sich für das Erhaltene erkennt- lich zu zeigen. Ganz gleich, ob aus Dankbarkeit, Schuldgefühl, Ver- pflichtung oder einfacher Freundlichkeit heraus – der Manipulation öffnet dies Tür und Tor. Francis Ford Coppola erklärt uns in den ersten Minuten seines Meister- werks »Der Pate« auf geniale Weise, dass die Mafia auf diesem Gesetz der Reziprozität beruht: Ich tue dir einen Gefallen – und erwarte, dass du mir diesen Gefallen eines Tages erwidern wirst. Mitgefangen, mit- gehangen. Eine Hand wäscht die andere.

Pages