Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

GCM 2-2012

GCM 2 / 2012   german council . Verführung men, wie das Wiener Kaffeehaus oder das britische und irische Pub, durch die Globalisierung weitgehend hinweggefegt worden. Die Wirt- schaft ist vor ungefähr 15 Jahren in dieses Vakuum eingestiegen und hat angefangen, ihre eigenen Dritten Orte zu gestalten, mit diesem Gefühl des »Home away from Home«, einem hohen AIME-Wert und ei- ner langen Aufenthaltsdauer. Diese Dritten Orte haben alle eine ähnli- che grundlegende Struktur, die man, vereinfacht, auf vier Begriffe re- duzieren kann: Landmark, Malling, Concept Line und Core Attraction. Landmark bedeutet, man muss sich zum Wahrzeichen machen und zei- gen, dass man da ist. Man inszeniert schon im Eingangsbereich den großen Auftritt für den Kunden. Viele Malls haben zum Beispiel ein übergroßes Tempeltor, durch das man schreitet. Wenn man durch das Landmark-System hineingesaugt worden ist, dann braucht es ein Mal- ling System. »Malling« bedeutet »promenieren« und damit man pro- meniert, muss eine kognitive Landkarte erzeugt werden, ein inneres Bild des Ortes. Dann kann man sich sehr leicht orientieren und vor al- lem fühlt man sich an dem Ort heimisch, das ist der emotionale Mehr- wert. Für das Malling ist außerdem wesentlich, dass die Flussgeschwin- digkeit einen optimalen Punkt erreicht. Dafür muss man Spannungs- achsen kreieren, die den Blick in die Tiefe lenken, aber auch Elemente, die die Flussgeschwindigkeit bremsen. Aus dem Wechselspiel von Be- schleunigen und Bremsen besteht die Kunst des optimalen Malling Systems. Als Drittes gilt es, eine Concept Line zu entwerfen, einen ro- ten Faden. Wenn man heute eine Concept Line macht, versucht man die Drehbücher im Kopf der Besucher vor allem mit Designelementen zu inspirieren. In den letzten zehn Jahren haben sich da vor allem zwei Themen herauskristallisiert, Natur und Kunst. Sie finden überall An- spielungen auf Naturelemente als roten Faden, es gibt sinnlich wahr- nehmbare künstlerische Elemente, die die Dramatisierung, das Dreh- buch im Kopf anspringen lassen. Schließlich das vierte Element, die Core Attraction. Die brauchen Sie allein schon, weil man in der Kommu- nikation und auch für die Mundpropaganda zwei Bilder braucht, eines von dem Landmark von außen und eines von der Core Attraction von innen. In Ihrem jüngsten Buch geben Sie außerdem Hinweise darauf, wie ver- führerisch die von Ihnen sogenannten Hochgefühle in Shopping Malls wirken können. Richtig. Eine Mall braucht eine Mischung aus zwei Hochgefühlen, die beide gleichwertig vorhanden sein müssen. Glory und Joy. Glory ist die positive Variante des Hochmuts. Wenn man sich selbst auf ein Podest stellt, bekommt man eine hochmütige Inszenierung. Wenn man es schafft, die Natur, etwas Göttliches oder den Kunden auf das Podest zu stellen, dann erreicht man ein Gefühl des Erhabenen, das Königsgefühl für den Kunden. Wenn Sie sich aber allein darauf beschränken, be- kommt Sie eine Mall, die in Schönheit stirbt. Deswegen müssen Sie mit der Dramaturgie dem Glory-Gefühl ein Joy-Gefühl entgegensetzen. Da- für brauchen Sie die Bäume, die Büsche, die Sitzbänke. Sie brauchen die kleinen Kioske mit dem kleinteiligen Angebot, das sozusagen visuelle Völlerei ausdrückt, denn Joy kommt von Völlerei. Das Gefühl geht ein- her mit hoher Dopaminausschüttung, wodurch die Trägheit der Moto- rik überwunden wird und die Menschen stöbern und zugreifen. Das heißt, der Konsum kommt erst durch das Joy-Gefühl. Beides zusammen, Glory und Joy, ergibt einen idealen Hochgefühlscocktail in einer Mall. Welche Rolle spielen dabei Licht, Farbe, Materialien, die akustische Um- gebung? Ich bin kein Fan von Polysensualismus, bei dem man sagt, das Licht ma- che ich so, die Farbe so und die Akustik so, dann gebe ich noch einen Duft dazu und dann funktioniert das. So bekommt man ein Gemisch wie Kraut und Rüben. Es braucht ein emotionales Gesamtsystem. ©konradbak-Fotolia.com

Pages