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GCM 2-2012

  GCM 2 / 2012 GERMAN COUNCIL . Verführung Werbung im Wandel Wirtschaftswerbung dient der Gewährung der Gewerbefreiheit und der Meinungsfreiheit. Das Ziel besteht darin, sie als strategische Kom- munikationsvariante durch einen Konsumappell so einzusetzen, um den Verbraucher appellativ zu motivieren, die angepriesenen Produk- te und Dienstleistungen zu kaufen. Das kreative Spektrum der Produkt- werbung ist groß. So kann das Kindchenschema eingesetzt werden, um Beschützerinstinkte beim Verbraucher zu wecken. Erotische Signa- le werden gesetzt, um positive Assoziationen zu wecken. Oder es wird mit Mitleidselementen gearbeitet, wenn im Rahmen von Spendenkam- pagnen bei Non-Profit-Organisationen Not und Elend gezeigt werden. Das Ziel besteht immer darin, Aufmerksamkeit des potenziellen Kun- den in einer Welt der permanenten Reizüberflutung zu erhalten. Es gibt zunächst zwei Möglichkeiten, Werbung zu gestalten. Die kon- ventionelle Form besteht darin, schöne Menschen in einer attraktiven Atmosphäre zu zeigen. Die Präsentation von perfekten Produkten jun- ger und glücklicher Menschen findet dabei in einem ansprechenden und verführerischen Umfeld statt. Das Produkt wird in einer Wohl- fühlatmosphäre ästhetisiert, um positive Emotionen bei der Zielgrup- pe zu erzeugen. Die eigentlichen Produkteigenschaften können dabei durchaus in den Hintergrund treten und der Informationsgehalt hält sich in der Regel in engen Grenzen. Bisweilen ist bis zum Ende des Spots unklar, wofür eigentlich geworben wird. Die abschließende Ein- blendung eines Produktlogos zeigt als Auflösung, womit die schönen Bilder und Geschichten in Verbindung gebracht werden sollen. Die innovative und medienethisch relevantere Form der Werbung be- steht darin, unvorhergesehene und provokative Bilder, Slogans oder Themen zu präsentieren. So wurde mit den Produkten der Steakhaus- Kette »Maredo« unlängst eine Kampagne von der Hamburger Agentur »Scholz & Friends« gestartet, bei der der Slogan »Tofu ist schwules Fleisch« im Mittelpunkt stand. Dieser Satz wurde auf ein Steak ge- brannt und präsentiert. Es gab wütende Proteste bis hin zu Boykottauf- rufen der Steakhauskette. Dabei wurde kritisiert, dass Homosexuelle durch den Slogan diskriminiert werden. Andere fanden die Kampagne witzig und originell. In jedem Fall hat diese Provokation zu einer brei- ten Debatte in der Öffentlichkeit hergestellt, die mit einer konventio- nellen Kampagne für wohlschmeckende Steaks kaum geführt worden wäre. Werbung dient der Imagepflege des Unternehmens und ist – wie das skizzierte Steakbeispiel zeigt – durchaus riskant. Sie greift politische und ökonomische Entwicklungen auf und vermittelt ihre Sicht darauf in Spots und Anzeigen auf den unterschiedlichen Medienkanälen. Da- bei ist sie einem permanenten kulturellen und gesellschaftlichen Wandlungsprozess unterworfen, da sich Werte- und Normvorstellun- gen ändern. So hat das traditionelle Familienbild mit einem berufstäti- gen Vater und der von ihm wirtschaftlich abhängigen Hausfrau und Mutter in den letzten Jahrzehnten massiv an Bedeutung verloren. Es wird nicht mehr die dümmliche Hausfrau gezeigt, deren einziges Le- bensziel darin besteht, dem Ehemann und den Kindern ein gemütli- ches Heim zu schaffen, indem sie sich mit großer Begeisterung aus- schließlich dem Putzen, Kochen und Waschen widmet. Die Individualisierung der Lebensstile und -entwürfe mit der damit einhergehenden Pluralisierung der Lebensformen wird auch in der Werbung aufgegriffen und strategisch umgesetzt. Auch Schönheitside- ale werden kritisch hinterfragt und ggf. verändert. So hat die Dove- Kampagne des Kosmetikkonzerns nicht mit den üblichen schlanken Fo- tomodellen geworben, sondern Frauen aller Altersstufen mit norma- len Rundungen in den Kampagnen gezeigt. Durch derartige Aktionen schafft Werbung Orientierung und schafft aktuelle Gesellschaftsent- würfe. Es wird dabei auf Vor- und Leitbilder zurückgegriffen, die Wün- sche, Hoffnungen und Träume der potenziellen Kunden aufgreifen. Die eigentliche Aufgabe der Werbung besteht ursprünglich darin, In- formationen über Produkte zu generieren, um dem mündigen Ver- braucher Vergleichsmöglichkeiten und Alternativen bei der Pro- duktauswahl aufzeigen zu können. Dies findet jedoch in der Regel nicht statt. Vielmehr steht eher die Darstellung von Klischees und Ste- reotypen im Vordergrund. Insofern besitzt Werbung insgesamt ein schlechtes Image. Die Glaubwürdigkeit der Produktinformationen ist begrenzt, da es in der Regel weniger um Informationen, sondern um die Schaffung von positiven Assoziationen und Emotionen für den Kaufanreiz geht. Dabei wird keine umfassende und glaubwürdige Dar- stellung von speziellen Eigenschaften des beworbenen Objektes ver- mittelt. Vielmehr soll der Konsument zur Kaufentscheidung motiviert werden. Es geht primär darum, zu überreden statt zu überzeugen. Die kritische Medientheorie und die Konsumkritik gehen seit Jahrzehnten davon aus, dass die Konsumenten durch Werbung manipuliert werden und regelrecht verblödet sowie verblendet werden. Der schöne Schein suggeriert eine Traumwelt, die in der Praxis auch nicht ansatzweise vorhanden ist. Dabei werden Dinge angepriesen, die in vielen Fällen überhaupt nicht benötigt werden. Es werden falsche Bedürfnisse bei den Konsumenten suggeriert, die eigentlich nicht vorhanden sind. Zudem werden auch moralische und rechtliche Grenzen überschritten. Provokative Werbung erreicht eine breite öffentliche Resonanz und dient der Steigerung von Aufmerksamkeit. Denn nur, was wahrgenom- men wird, hat auch die Chance, von den Unternehmen für den Pro- Alles nur Geschmackssache? Umstrittene Werbung und die moralischen Grenzen der zulässigen Verführung

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