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GCM 1-2016

GCM 1 / 2016   GERMAN COUNCIL . Talent Baudson: »Seine ebenso einfache wie geniale Idee, mit der er die Intelligenzmessung 1912 ei- nen großen Schritt weiterbrachte, lautete wie folgt: Statt die Differenz als Maß für die Entwick- lungsbeschleunigung oder -verzögerung zu nehmen, relativierte er das Intelligenz- am Le- bensalter. Dieser »Intelligenzquotient« wurde dann zur leichteren Handhabbarkeit noch ein- mal mit 100 multipliziert – stimmen Intelligenz- und Lebensalter überein, ergibt sich somit ein IQ von 100 als Durchschnittswert.« Diese Art der Messung erklärt auch, wie die teil- weise astronomischen Intelligenzwerte höchst- begabter Kinder zustande kommen. Ein IQ von 200 beispielsweise ergibt sich nach Sterns For- mel dann, wenn das Intelligenzalter doppelt so hoch ist wie das Lebensalter. Die amerikanische Weiterentwicklung von Binets Test durch Lewis Terman (der später dann seine berühmte Hoch- begabten-Längsschnittstudie initiierte), der Stan- ford-Binet-Test, wird teilweise noch heute in der Höchstbegabtenforschung angewandt; eine Neu­ normierung für den deutschsprachigen Bereich ist aktuell in Vorbereitung. Abweichung von der Norm Wie aber kann man Intelligenz messen, wenn sich Lebensalter und zu lösende Aufgaben nicht mehr so eindeutig zuordnen lassen? Entwick- lungspsychologische Befunde und schulische Lehrpläne erlauben dies für die Kindheit; mit zu- nehmendem Alter werden die Fähigkeitsunter- schiede zwischen Menschen immer differenzier- ter, und auch das umgesetzte Potenzial spielt eine immer größere Rolle. Ein Komponist kann und weiß andere Dinge als eine Psychologin; ei- nen der beiden Bereiche als Maßstab der Intelli- genz zu nehmen, wäre im Wortsinne »vermes- sen«. Aus diesem Grund schlug David Wechsler (er entwickelte die ersten sogenannten Wechs- ler-Tests, die bis heute zu den am häufigsten verwendeten Intelligenztests zählen) 1939 vor, keine konkreten Altersreihen mehr zum Maß- stab zu nehmen, sondern zu ermitteln, inwie- weit der Testwert einer Person von den Werten der Gesamtgruppe abweicht. Wie viele Merk- male ist auch die Intelligenz normalverteilt – die Gauß’sche »Glockenkurve« (einige kennen sie vielleicht noch vom Zehn-Mark-Schein) ist symmetrisch, und mehr Personen erreichen Wer- te im mittleren als im extremen Bereich. Um ei- nen Test so zu eichen, dass man ein individuelles Testergebnis genau einordnen kann, ist eine um- fangreiche Normierungsstichprobe erforderlich. Gerade in den Extrembereichen mangelt es oft an einer ausreichend großen Vergleichs- stichprobe, so dass kaum ein Test an den äu- ßeren Enden sauber differenziert – es gibt ein- fach zu wenige Menschen von extrem hoher oder extrem niedriger Intelligenz. Der Unter- schied zwischen einem IQ von 148 und 150 ist somit weniger genau zu bestimmen als zwi- schen 98 und 100. Der Quotient, der keiner ist Die in Deutschland gängige Skalierung behielt den von Stern ins Leben gerufenen Mittelwert von 100 bei, der die Intelligenzverteilung in zwei Hälften teilt; mit einer Standardabwei- chung von 15 lassen sich Unterschiede hinrei- chend akkurat beschreiben. Die Standardab- weichung ist das statistische Maß dafür, wie »breit« die Glockenkurve auseinanderläuft – je breiter desto höher die Standardabwei- chung. Das gängige 130er-Kriterium für Hoch- begabung ergibt sich somit rein statistisch: Zwei Standardabweichungen über dem Mittel- wert gelten als hinreichend hoch, so dass man sicher sein kann, dass die gemessene Bega- bung definitiv überdurchschnittlich ist. Dr. Tanja Gabriele Baudson: »Auch wenn der heutige IQ streng genommen also gar kein Quotient mehr ist, blieb der Name, den Stern ihm vor hundert Jahren gab, bestehen. Stern indes unterschätzte den Wert seiner messme- thodischen Innovation doch ziemlich. In sei- ner Autobiographie findet der IQ noch nicht einmal Erwähnung.« In den letzten 20 Jahren sind zahlreiche neue Intelligenztests entwickelt worden. Vielen geht es dabei nicht nur um die Feststellung rein kognitiver Fähigkeiten, sondern auch um die motorische, soziale und emotionale Entwicklung bei Kindern. Rund 100 dürfte es inzwischen geben. In Deutschland beschäfti- gen sich unter anderem die Universitäten Trier, Marburg, Münster und München mit der Hochbegabtenforschung. Intelligenztests müssen regelmäßig neu nor- miert werden, weil sich die Welt ändert. (Aufgaben werden nicht mehr so gut ver- standen, weil man bestimmte Wörter nicht mehr verwendet; andere Sehgewohnheiten, die es erforderlich machen, die Aufgaben so umzugestalten, dass sie für Kinder attraktiv sind.) Aber auch wegen des sogenannten Flynn-Effekts. Das ist der Befund, dass Perso- nen Intelligenztests heute besser lösen als in der Generation davor; die Ursache ist unklar, liegt aber definitiv nicht darin begründet, dass die Menschen heute tatsächlich intelli- genter sind, sondern möglicherweise nur besser mit den Testaufgaben zurechtkom- men. Dr. Tanja Gabriele Baudson: »Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst – Intelligenz als Konstrukt ist jedoch viel zu komplex, als dass man es mit einem einzigen Test messen könnte.« Deshalb wird immer nur ein Aus- schnitt gemessen, und zwar immer mit Blick auf die Zielsetzung des Tests. Ein Beitrag der Redaktion © noravector – fotolia.com

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