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GCM 4-2014

GCM 4 / 2014   Wie geht man heute eigentlich mit der irren Mailflut richtig um? Sind nicht die zunehmenden Burn-Outs eine Folge davon? Prof. Michael Rotert: Am Anfang war die Schnelligkeit des Kommu­ nikationsmediums E-Mail ein absoluter Segen, den man unbedingt haben wollte. Allerdings hat sich daraus auch eine Erwartungshal­ tung entwickelt, die von vielen inzwischen als negativ empfunden wird, etwa wenn eine Viertelstunde nach Erhalt einer E-Mail der Ab­ sender anruft und fragt, warum man noch nicht geantwortet hat. Da wird das Medium, das doch eigentlich für eine asynchrone Kommu­ nikation gedacht war, lästig. Die ständige Erreichbarkeit im berufli­ chen Bereich – auch nach Feierabend, an den Wochenenden und im Urlaub – ist zu einem Stressfaktor geworden, sodass inzwischen ei­ nige Unternehmen explizit sagen, dass außerhalb der Arbeitszeiten keine E-Mails mehr gelesen werden müssen. Zudem hatte sich schon früh die Unsitte herausgebildet, alle möglichen Leute mit in den Verteiler aufzunehmen. Das führt dazu, dass man unter Umständen unheimlich viele Mails bekommt, die einen überhaupt nicht interes­ sieren. Wie wird die Entwicklung der E-Mail weitergehen? Prof. Michael Rotert: Fakt ist, dass der Privatanteil bei E-Mails deut­ lich abnimmt. Short-Messages-Systeme treten immer häufiger an ihre Stelle. Zunehmend dagegen – mit circa 7 Prozent jährlich – ist der geschäftliche Mailverkehr. Wer heute eine Versicherung kündi­ gen will oder einen Anwohnerparkausweis benötigt, der muss kei­ nen Brief mehr schreiben und zur Post bringen. Stark zugenommen haben auch die mobilen Mails. Durch die immense Smartphone- Anzahl steigt der diesbezügliche Nachrichtenverkehr jährlich um be­ achtliche 25 Prozent. Zu erwarten ist in der nächsten Zeit, dass die Mailplattformen mal auf einen mo­ dernen Bürostandard gebracht werden – neue Oberflächen, bessere Sortierung, optimierte Funktionalität, aber hoffentlich endlich auch die Einführung einer Datenverschlüsselung. So könnte es dann auch irgendwann wieder ein privates Mail-Revival geben. Womit haben Sie sich in letzter Zeit im Rahmen Ihrer beruflichen Ar- beit beschäftigt? Prof. Michael Rotert: In technischer Hinsicht ging und geht es um die neueste Generation von IP-Protokollen, ebenso um die Machine-to- Machine-Kommunikation, das sogenannte Internet der Dinge. Aber auch soziale Belange beschäftigen uns sehr. »Internet-Governance« lautet da ein wichtiges Schlagwort, eng verbunden mit der Fragestel­ lung »Wem wird eigentlich zukünftig das Internet gehören?«. Men­ schenrechtsfragen und gesetzliche Regelungen nehmen außerdem viel Raum in meinem Arbeitsalltag ein. Ganz aktuell sprechen unsere deutschen Politiker im Zusammenhang mit digitaler Kommunikation von einer »Wertschöpfungskette« – die Industrie dagegen benutzt schon längst die deutlich passendere Bezeichnung »Wertschöp­ fungsmatrix«. Es ist traurig, aber die langwierigen demokratischen Prozesse passen längst nicht mehr zum System. Die E-Mail und digitale Kommunikation hat natürlich auch gewalti- gen Einfluss auf den Handel gehabt. Das Online-Geschäft ist heutzu- tage ein mehr als ernstzunehmender Wettbewerber des stationären Handels. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung und was raten Sie dem Geschäftsbetreiber eines Ladenlokals? Prof. Michael Rotert: Übeltäter sind nicht nur Portale wie Amazon, auch wenn ich selbst dort meinen Ac­ count vor einiger Zeit gekündigt und meinen Kindle verschenkt habe, weil ich mit manchen Vorge­ hensweisen dort absolut nicht ein­ verstanden war. Der stationäre Handel muss, wenn er überleben will, unbedingt an seinem Service arbeiten und neben guter Bera­ ›Wem wird eigentlich zukünftig das Internet gehören?‹ Prof. Michael Rotert GERMAN COUNCIL . Change I – Gesellschaft und Technik

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