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GCM 4-2014

  GCM 4 / 2014 GERMAN COUNCIL . Change I – Gesellschaft und Technik Mit Freude erwartet und völlig werbefrei Interview mit Prof. Michael Rotert, Deutschlands erstem E-Mail-Empfänger, über Anfang und Auswirkungen des digitalen Briefverkehrs War Ihnen am 3. August 1984 bewusst, welch historischer Moment ge- kommen war und dass Sie persönlich damit Geschichte geschrieben haben? Prof. Michael Rotert: Der historische Augenblick selbst verlief wenig spektakulär. Weder brach das Team in Jubel aus, noch gab es Sekt. Stattdessen arbeiteten wir einfach weiter. Ich fand es in dem Mo­ ment für mich selbst auch nicht so spektakulär, weil das Mailen für mich eigentlich nur eine Vorstufe darstellte. Ich wollte an das ganze Netz! Doch dazu benötigte ich erst einmal regelmäßigen Kontakt zu den wichtigen Gremien und Zirkeln in den USA. Dafür war der elekt­ ronische Briefverkehr perfekt. Und ich wusste in dieser Situation schon, dass ich von nun an zur »Community« gehören würde. Nie­ mand von uns aber hat damals geahnt, dass die E-Mail eines Tages zum Massenmedium werden und die heutige Bedeutung erlangen würde. Schließlich hatten anfangs nur Forschungseinrichtungen Zu­ griff darauf. Doch mit ein wenig zeitlichem Abstand wurde mir be­ wusst, hier etwas Großes vollbracht zu haben. Immer wieder hörte ich bis dahin von schwer zu lösenden technischen Problemen. Ich war es leid, und darum ergriff ich selbst die Initiative, getreu dem Motto »Geht nicht, gibt’s nicht!«. So wurde ich zu einer historischen Person. Meine Mailadresse lautete damals schlicht, doch souverän »rotert@germany«. Welche Voraussetzungen mussten damals erfüllt werden, damit die erste Mail nach Deutschland kam? Prof. Michael Rotert: Unsere Forschungsarbeit drehte sich damals um das Projekt »Anschluss an die internationalen Netze«. Dafür benötig­ ten wir einen bestimmten Rechnertyp. Der war an der Uni sogar schon vorhanden, doch wir wollten ja nicht nur auf einem Rechner Mails verschicken, sondern in andere Netze gelangen. Und dazu be­ nötigte man die Gegenseite und für den Anfang auch noch eine ver­ nünftige Übertragungssoftware. Diese erhielt ich aus den USA, aller­ dings war die für amerikanische Verhältnisse gedacht. In Deutschland war aber der Anschluss eines Computers an das Telefonnetz mit auto­ matischer Rufnummernwahl durch den Computer nicht erlaubt – die­ se Art von Belastung der Netzwerke hatte die Bundespost als damali­ ger Monopolist für alle Kommunikationswege verboten. Wir nutzten daher sogenannte »Dateldienste«, für die man die ent­ sprechende Hard- und Software brauchte. Dafür konnte die amerika­ nische Software nicht eins zu eins übernommen werden, sondern musste angepasst werden. Das dauerte ungefähr drei Monate und dann lief die ganze Geschichte. Hinzu kam natürlich, dass man auf beiden Seiten konkrete Absprachen über die Übertragung und Inter­ pretation der Daten treffen musste, dass also ein verschicktes A auf der Gegenseite auch als A interpretiert und ausgegeben wurde. Worin sah man damals die Aufgabe von E-Mails? Prof. Michael Rotert: Im Wesentlichen ging’s um schnellen Austausch und den Ersatz von Telefon und Brief. Wir mussten ja gerade hinsicht­ lich unserer Zusammenarbeit mit den USA einen großen Zeitunter­ schied ausgleichen. Damals durften an dem Netz ausschließlich Uni­ versitäten und Forschungseinrichtungen teilnehmen, aber innerhalb der Forschungslandschaft hat sich das relativ rasch verteilt, indem sich immer mehr Einrichtungen anschlossen. Die wiederum haben sich dann auch Mailserver aufgesetzt, und unser Mailserver hat sich dann nicht nur mit den USA unterhalten, sondern auch mit den Ser­ vern hier in Deutschland. Einige haben sich auch über Modem an un­ serem Mailserver eingewählt und haben dort ihre Mail gelesen. Das ganze Verfahren war wie gesagt rein für die Forschung. Was leider auf der Strecke blieb, war eine Mailkultur aufzubauen, so wie es dem Brief gelang. Ich zumindest finde dies schade. ›Niemand von uns aber hat damals geahnt, dass die E-Mail eines Tages zum Massen- medium werden und die heutige Bedeutung erlangen würde.‹ Prof. Michael Rotert

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