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GCM 4-2012

  GCM 4 / 2012 GERMAN COUNCIL . VOR ORT Zielführender sei es, so Warth, bei der Verführung zu »frohlocken«, denn das bedeute, dass man »froh« sei und die Kunden »anlocke«. Warth mahnte vor diesem Hintergrund: »Verführung beginnt bei Ihrer persönlichen Einstellung. Gehen Sie bei der Verführung in die geben- de Haltung.« »Verführen« ist heute beim Verkaufen wichtiger denn je, da in einer Wohlstandsgesellschaft, in der der Einzelne das Nötigste zum Leben hat, viele weitere Wünsche oft erst geweckt werden müssen. Der Ver- kaufsprozess in einer Wohlstandsgesellschaft erfordert viel Überre- dungskunst und den Appell an die Emotionen des Einzelnen. So ist der im Volksmund bekannte Spruch »Ich bin wunschlos glücklich« für das Individuum ein schöner Zustand, für den Einzelhandel sind der Wohl- stand und die sofortige Erfüllung von Wünschen dagegen ein Prob- lem. Denn dadurch entsteht nach den Worten von Dr. David Bosshart, CEO des GDI (Gottfried Duttweiler Instituts), Langeweile: »Je mehr So- fortbefriedigung wir sichern, umso mehr wird die Verführung wegrati- onalisiert«, ist er überzeugt. Aus Sicht des Experten braucht Vergnü- gen »Reibung« und »Widerstände«, damit das Erreichte auch als Er- folg wahrgenommen wird. In einer technisierten Welt, in der jeder programmiert und gleichzeitig selbst programmiert wird, die Digitalisierung die Menschen weiter- treibt und die Technologie die Probleme nur auf die nächste Komplexi- tätsebene hebt, stellt sich aus Bossharts Sicht die elementare Frage: »Wie können wir die Beziehung zum Kunden besser aufbauen?« Eine zentrale Rolle spielt dabei auch der Gegensatz der Geschlechter. Denn Männer, die zumeist die Handelsimmobilien entwickeln und am Ver- kaufsgeschehen maßgeblich beteiligt sind, haben, so Bossshart provo- kant, »keine Ahnung von Verführung«. Frauen, die überwiegend Ein- kaufen gehen und das auch vielfach als Freizeitbeschäftigung betrach- ten, reagieren auf andere Anreize als Männer. Bei seiner Ausgangsthese bezieht sich Bosshart auf die Tatsache, dass Männer von ihrer ursprünglichen Rolle als Jäger geprägt werden und zielgerichtet agieren, während Frauen als Sammlerinnen mehr Zeit auf die Erforschung der Umgebung verwenden: hier der fokussierte Blick des Mannes auf sein Ziel – dort der Weitblick der Frau auf die Umge- bung. Wichtig für den Verkaufsprozess in der Wohlstandsgesellschaft zu Be- ginn des 21. Jahrhunderts ist deshalb die intelligente Verführung der Kunden – und zwar so, dass sie sich nicht plump überrumpelt fühlen. Für Bosshart muss deshalb die »Mensch-zu-Mensch-Kommunikation« wieder hergestellt und die Vorfreude wieder angestachelt werden. Man müsse Rituale neu erfinden und die Menschen in ihrem Wohlfühlen un- terstützen. In Shopping Centern spielt dabei auch für ihn das Thema Gastronomie und Freizeit eine ganz wichtige Rolle. Dazu gehören aus Sicht des Experten auch die Food Courts, die in den neuen Einkaufszen- tren immer häufiger zu finden sind. Denn mit hungrigen Menschen könne man keine Geschäfte machen, weiß der Experte, der ganz gene- rell das Thema Unterhaltung für sehr wichtig hält. Das technisch akkurat geschnittene deutsche Brot – im Vergleich zu den Croissants, den Brioche und dem Baguette der französischen Verfüh- rungskünstler – ist für Bosshart ein beispielhaftes Symbol der typisch technischen Ausrichtung, die hierzulande viele Prozesse prägt. Doch ist der Experte überzeugt: »Verführung kann man lernen.« Was gehört zu einer Verführung im Verkaufsprozess? Als pfiffiges Bei- spiel für den Lebensmitteleinzelhandel stellte Geschäftsführer Ramin Goo den Kongressteilnehmern die Berliner Kochhaus GmbH vor, die den traditionellen Lebensmittel-Supermarkt neu inszeniert. Das Kon- zept ist so einfach wie naheliegend. Goo hat zusammen mit seinem Team 2011 ein »begehbares Rezeptbuch« geschaffen. Denn die Koch- haus GmbH ordnet die Zutaten nach Rezepten an und verkauft sie auch in den dafür notwendigen kleinen Mengen. Das Sortiment ist in Menü-Folge – Vorspeise, Hauptspeise und Dessert – angeordnet, sodass der Kunde auf einem Fleck alles findet, was er für ein einzelnes Gericht braucht. Die Idee spart dem eiligen Kunden viel Zeit. Bislang gibt es drei Kochhaus-Läden in Berlin und zwei in Ham- burg. Ein Laden im Alstertal Einkaufszentrum in Hamburg ist in Vorbe- reitung. Hier soll der Standort Shopping Center getestet werden. An- ©Fotos:KDBusch

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