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GCM 2-2017

GERMAN COUNCIL . VERANTWORTUNG Kommentar: Von der Seitenlinie MASSLoSE HAFtUNG Verantwortung und Hatung gehen Hand in Hand. Verantwortung für etwas zu überneh- men, heißt auch, dafür gerade zu stehen, wenn etwas schiefgehen sollte. In der wirt- schat ist das ein außerordentlich wichtiges regulativ. Denn wer nicht für sein Handeln geradestehen muss, der kann unbegrenzt ri- siken eingehen. wohin das führt, hat die Fi- nanzkrise 2008 gezeigt. Verantwortungs- loses Handeln bedroht das liberale wirt- schatssystem existenziell. Doch auch wenn das Pendel in die andere richtung aus- schlägt, wenn also handelnde Personen maßlos in Hatung genommen werden kön- nen, gerät das System ins wanken. Über die vergangenen Jahre ist es für die Verantwortlichen in den Unternehmen hier- zulande zunehmend ungemütlich gewor- den. Der Prozess ist schleichend – doch die Wegmarken sind unverkennbar. Irren ist menschlich und Fehler sind menschlich. Doch Fehler darf man sich in den Führungseta- gen nicht mehr erlauben. Nicht nur, weil dem Betroffenen dann die Eigentümer aufs Dach steigen. Auch die juristischen Sanktionen wer- den immer härter. Es ist eine Lehre aus der Fi- nanzkrise – aber in der gegenwärtigen Ausprä- gung lähmend, weil sie Angst erzeugt. Und Angst ist der natürliche Feind des Unterneh- mertums. Es sind nicht nur die Schadenersatzsummen, die bedrohlich in immer neue Höhen ge- schraubt werden. Die neue Qualität ist, dass zur zivilrechtlichen Haftung für Fehltritte ver- stärkt die strafrechtliche Verfolgung hinzu- kommt. Angesichts des tiefen Falls des einsti- gen Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff kann auch dem abgebrühtesten Wirtschaftskapitän mulmig werden. Für jeden, der von so weit oben kommt, sei der Aufenthalt in einer Justiz- vollzugsanstalt ein Fiasko, stellte der bekannte Strafverteidiger Hanns Feigen kürzlich in einem Interview mit dem »Handelsblatt« fest. »Das ist . m o c o t o h p k c o t s i – o t o h p y a j e u b © l  GCM 2 / 2017 eine fremde Welt, in der auch körperliche Belästigung und Gewalt regieren können.« Gleichzeitig beobachtet er, dass das Klima in Wirtschaftsstrafverfahren eisiger gewor- den ist. »Es ist tatsächlich so, dass von vie- len Seiten Risiken drohen: von den Strafan- zeigen einzelner Aktionäre bis hin zur Auf- sichtsbehörde.« In einem solchen Treib- hausklima wächst die Angst, überhaupt noch Entscheidungen treffen. Das Regelwerk lässt den Beteiligten mittler- weile kaum noch Spielraum. So sind etwa Aufsichtsräte seit dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs in Sachen »Arag Gar- menbeck« gezwungen, mögliche Scha- densersatzansprüche gegen Vorstandsmit- glieder unmittelbar geltend zu machen. Ansonsten sind sie selbst in der Haftung. Die inzwischen obligatorische Directors- and-Officers-Versicherung dient da vor al- lem als Beruhigungspille, die aber am grundsätzlichen Problem nichts ändert – dem latenten Risiko, es plötzlich mit dem Strafrecht zu tun zu bekommen. Einst galt die Regel, dass Strafrecht erst bei gravieren- dem Fehlverhalten angewandt wird. Inzwi- schen reicht es offenbar aus, dass der Vor- stand sein unternehmerisches Ermessen, das er nach der »business judgement rule« hat, überschreitet – obwohl das wiederum zivil- und aktienrechtlich nicht automatisch grobe Fahrlässigkeit bedeutet. An dieser Stelle kommen sich nach Ansicht von Exper- ten sogar zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung ins Gehege. Natürlich: Wer Verantwortung übernimmt, muss auch zur Verantwortung gezogen werden können. Aber die Gefahr, maßlos in die Haftung genommen werden zu kön- nen, erzeugt nur Angst vor der Übernahme von Verantwortung – und damit Stillstand. Das ist eine fatale Entwicklung unserer Zeit. Sie führt nämlich direkt zu der defätisti- schen Schlussfolgerung: Wer nichts macht, macht nichts verkehrt.

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