GCM 2 / 2013 GERMAN COUNCIL . SPIRIT Ein weiteres Beispiel, das zurzeit nur als Idee existiert, wäre die Übertragung des ursprünglichen Dell-Geschäftsmodells auf die Au tomobilbranche. Die Idee, sich Autos nach Gusto und wirklich frei zu sammenstellen zu können, wäre so revolutionär – so transformie rend – wie Dells Idee, PCs nach Vorgabe der Käufer individuell zu konfigurieren. Für die Praxis heißt das: Sehr genau auf technologische Strömungen achten. Geschäftsmodelle auf scheinbar fernliegende Branchen übertragen. Die eigene Branche immer wieder auf Änderungen hin überprüfen, welche die digitalen Treiber auslösen – und sich trans formierenden Entwicklungen öffnen. Und: Bloß keine Denkverbote akzeptieren. 4 Sein grsstes Problem berspringen »Ihr größtes Problem ist nicht Ihr Problem.« Klingt provozierend, ist es auch. Und soll dazu führen, die Augen für das eigentliche Problem zu öffnen, den Kopf klar zu machen – einen Zukunftsflash zu haben, der es möglich macht, ein Hindernis einfach zu überspringen, statt es müh sam aus dem Weg zu räumen. Ein wunderbares Beispiel bringt Burrus, wenn er von den zur Neige gehenden Kohlevorräten im England des 19. Jahrhunderts schreibt. Verzweifelt zerbrachen sich Politiker, Indust rielle und Wissenschaftler den Kopf, wie man neue Vorkommen er schließen und Kohle aus noch tieferen Gruben holen könnte – doch das Problem waren eigentlich nicht die schmelzenden Vorräte, sondern die Kohle als Brennstoff an sich. Die Lösung wäre die Umstellung auf einen anderen Brennstoff zur Energieerzeugung gewesen – was mit der zu nehmenden Nutzung von Erdöl dann auch geschah. Aktuell wird be klagt, dass es in Deutschland zu wenig Glasfaserkabel gibt. Das eigent liche Problem aber sind fehlende Bandbreiten – die, zukunftsgewandt, mit noch mehr Investitionen in mobile Datennetze geschaffen würden. Für die Praxis heißt das, »die Zwiebel zu häuten« – also: Sich das Prob lem vornehmen und langsam, Schicht für Schicht, zum Kern vordrin gen. Sich dabei nicht auf alte Lösungen verlassen. Antizipieren, nicht resümieren. 5 Die Richtung umkehren Probleme kann man laut Burrus auch lösen, indem man darauf achtet, »in welche Richtung alle anderen blicken – um anschließend in die ent gegengesetzte Richtung zu schauen«. Auch das eine Technik, eingefah rene Denkmuster zu überwinden, und sich nebenbei noch innovativ von der Konkurrenz abzuheben. Kleine Windkraftanlagen, die auf Hausdächern in Städten stehen, lösen das Problem des Stromtrans ports über lange Strecken ganz einfach, indem sie den Strom dort er zeugen, wo er verbraucht wird. Eine Schule in Chicago leidet unter Budgetkürzungen. Sie kehrt ihr Denken um und überlegt sich Strategi en, selbst Geld zu verdienen – im Buchbeispiel durch die nächtliche Vermietung der Rechenkapazität ihrer Computer. Für die Praxis heißt das: Sich Aktivitäten, Strategien und Vorhaben der Mitbewerber, der ganzen Branche anschauen – und dann untersuchen, wo sich durch eine bewusste Richtungsumkehr neue Lösungen eröff nen. Diese Betrachtungen auf das eigene Unternehmen anwenden, und dabei auch einzelne Komponenten und Prozesse unter die Lupe nehmen. Die Richtung umkehren – einfach das Gegenteil denken – ist das konkreteste Geistesblitz-Instrument, das Burrus auffährt, und es macht mit seinem Verkehrte-Welt-Appeal vor allem richtig Spaß. 6 Umdefinieren und neu erfinden Es klingt tatsächlich banal: Um ein Problem zu lösen, muss man manch mal etwas ganz Neues machen. Etwas umdefinieren, neu erfinden. Bei spielsweise die Idee, nicht Waschmaschinen zu bauen, die immer we niger Wasser verbrauchen – sondern welche, die überhaupt nicht mit Wasser waschen. So entzieht man sich dem Preiswettbewerb mit Billig produzenten, indem man eine konsequente Hochpreispolitik fährt und einfach etwas ganz anderes produziert. Für die Praxis heißt das zum Beispiel: Den Wettbewerb komplett ver gessen. Jeden Aspekt des Geschäftsmodells überprüfen und umdefi nieren. Das geht weit über die Anpassung einzelner Parameter hinaus, ©Torbz–fotolia.com