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GCM 2-2013

  GCM 2 / 2013 GERMAN COUNCIL . SPIRIT Umsatz nach Maß Schuhmacher 2.0: Altes Handwerk trifft modernes Marketing Matthias Vickermann und Martin Stoya leiten eine der besten Schuhma- nufakturen Deutschlands. Ihren Erfolg verdanken sie einem altem Hand- werk, Messern, Zangen, Bürsten – und dem Internet. Matthias Vickermann spuckt auf seine Produkte. Diese Dienstleistung ist im Preis von knapp 2.000 Euro inbegriffen. Der Unternehmer bürs­ tet seinen Speichel sorgfältig über die schwarzen Maßschuhe in sei­ nen Händen. »Die Enzyme der Spucke vermischen sich mit der Schuh­ creme. Dadurch glänzt das Leder später besonders gut«, sagt Vicker­ mann. So wie die Schuhe sollen auch die Augen der Kunden glänzen. Spätestens, wenn sie die ersten Schritte in ihren Maßschuhen laufen. Knapp 300 Paare davon hat Vickermann zusammen mit seinem Kolle­ gen Martin Stoya im vergangenen Jahr verkauft. Das Internet hilft den Handwerkern dabei. Sie zwitschern auf dem Kurznachrichten­ dienst Twitter, drehen YouTube-Filme, plaudern mit ihren Kunden auf Facebook und verkaufen übers Internet Schuhlöffel, Poliertücher so­ wie Schnürsenkel. Und sie haben eine eigene App. Branche im Umbruch Vickermann und Stoya kombinieren altes Handwerk mit neuer Tech­ nik. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg klebten in Deutschland über 50.000 Schuhmacher regelmäßig Absätze auf Schuhe. Heute sind da­ von noch 4.000 Betriebe übrig, darunter etwa 1.000 Schnellschuster wie »Mister Minit«. Vor allem diese Ruckzuck-Läden prägen das Schuhmacher-Bild der Deutschen. Vickermann will das ändern. Seine Mission lautet: aufklären. »Anders als Franzosen oder Italiener kaufen die meisten Deutschen preiswerte Schuhe«, sagt Vickermann. Sobald die Absätze oder Sohlen abgelaufen sind, landen die Stiefel, Sanda­ len und Slipper im Müll. Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen laut dem Bundesverband des Deutschen Schuheinzelhandels (BDSE) etwa 8 Milliarden Euro für Schuhe im Fachhandel aus. Hinzu kommen die Umsätze der Waren- und Kaufhäuser sowie des Versandhandels. Das macht zusammenaddiert etwa 11,5 Milliarden Euro. Davon ent­ fallen laut TNS Infratest etwa 1,3 Milliarden Euro auf den Internet- Handel. Tendenz steigend. Schuhmacher sind zwar nicht so von der Konkurrenz im Netz bedroht wie Schuhhändler. Trotzdem müssen auch sie um jeden Käufer kämpfen. Wer weiß, womit er seine Kunden begeistert, ist im Vorteil. Reparaturauftrge ber das Internet »Menschen wollen nicht nur Produkte kaufen, sondern etwas erle­ ben«, sagt Vickermann. Deswegen organisiert er in regelmäßigen Ab­ ständen Veranstaltungen. In Schuhpflegekursen zeigen er und sein Geschäftspartner Interessierten, wie sie Schuhe richtig putzen. Sogar der Playboy hat darüber schon berichtet. »Dort sitzt dann Mann ne­ ben Mann um den Tisch und rückt seinem edlen Fußleder bei Bier und Wein mit Bürsten, Cremes und Poliertüchern auf die Pelle«, schrieben die Redakteure. Mal kommt ein Weinhändler aus der Ge­ gend zu Besuch, mal ein Bier-Experte. Jeden ersten Mittwoch im Mo­ nat schaut der Maßschneider Jesper Ploug im Laden vorbei, jeden Freitag und Samstag der Uhrenmacher Kay Jäger. Vickermann ist sich sicher: Von ähnlichen Ideen könnten auch andere Händler profitie­ ren. Nicht jeder Besucher eines Schuhputzkurses bestellt am folgen­ den Tag Maßschuhe. Aber er erinnert sich wahrscheinlich an das klei­ ne Ladengeschäft mit den großen Schaufenstern in der Merkurstraße 5, am Rande der Innenstadt von Baden-Baden. In der 1B-Lage hängt neben den Fenstern ein goldenes Schild mit schwarzen und weißen Buchstaben. Darauf steht: »Vickermann et Stoya – Maßschuhe und feine Reparaturen.« Im Eingangsbereich stapeln sich in den Regalen kaputte Stiefel, Pumps und Sandalen. »Pro Jahr reparieren wir etwa 14.000 Schuhe«, sagt Vickermann. Nicht alle davon bringen die Kun­ den persönlich im Geschäft vorbei. Wer möchte, kann seine Schuhe

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